Ist die Israelsolidarität noch zu retten?

Paul Klee, Feuerwind (1923), Ölpause, Aquarell und Ölfarbe auf Ölgrundierung auf Papier, mit Aquarell und Feder eingefasst, auf Karton, 43,2 x 30,2 cm. Kunstmuseum Bern.

Die Zeiten, in denen man mich in maximal einer Stunde an jeden beliebigen Ort in Berlin zitieren konnte, um für oder gegen dieses oder jenes zu demonstrieren, liegen schon seit einiger Zeit hinter mir. Je dümmer oder gefährlicher das Anliegen, desto größer inzwischen die Menschenmenge. Je wichtiger und lobenswerter das Anliegen, desto winziger die Zahl jener, die noch erscheint, wodurch letzten Endes, wenn wir mal ganz ehrlich sind, das genaue Gegenteil dessen demonstriert wird, was bewiesen werden soll: dass es in Deutschland noch eine nennenswerte Anzahl Menschen gibt, denen die allerelementarsten Forderungen menschlichen Anstands — dass lebendige Juden besser seien als tote etwa — noch einleuchten.

„Was haben denn Juden in Deutschland mit Israel zu tun?“ Dieser antisemitische Kampfruf gehört auf eine Kundgebung linker Israelhasser.

In einer Situation wie der jetzigen kann man darauf allerdings keine Rücksicht nehmen, dann kommt es tatsächlich auf jede einzelne an. Ich marschiere also mir nichts, dir nichts auf so eine Kundgebung, wo mir dann beispielsweise der folgende Ruf entgegengeschleudert wird: „Was haben denn Juden in Deutschland mit Israel zu tun?“ Dieser antisemitische Kampfruf gehört auf eine Kundgebung linker Israelhasser. Ich kneife also beide Augen ganz fest zu, versuche meine Schnappatmung wieder zu beruhigen und mir einzureden: das sollte wahrscheinlich heißen: „Wie kommen Leute, die sich noch nicht einmal für die Regierung des Landes, in dem sie leben, verantwortlich fühlen, dazu, Juden in Deutschland für das Verhalten der Regierung Israels verantwortlich zu machen?“ Wobei selbst dann die Frage bestehen bleibt, warum Juden in Deutschland etwas dagegen einzuwenden haben sollten, mit der Tatsache identifiziert zu werden, dass Israel sich wehrt, wenn es wahllos mit Raketen beschossen wird.

Die Jüdische Gemeinde, so erfahre ich, möchte, dass wir Hass mit Liebe begegnen. Nun muss ich zugeben, dass der Wert des Hasses meines Erachtens von den meisten Menschen unterschätzt wird. Eines unserer größten Probleme besteht meiner Meinung nach darin, dass allzu viele Menschen auch dann immer weiter höflich und sachlich bleiben, wenn Leute noch das krasseste Verlangen nach toten Juden zu erkennen geben. Aber lassen wir das hier beiseite. Wir sollen Antisemiten mit Liebe entgegentreten? Wie soll das funktionieren? Gibt es da, selbst wenn man von Hass nichts hält, keine geeigneteren Zwischenstufen?

Lieber lässt man Israel doch auslöschen, als dass man sich mit „Rechten“ gemein macht.

Je fortschrittlicher die angeblich Solidarischen, desto inexistenter wird die Solidarität, sobald sich irgendwelche „Rechte“, aus welchen Gründen auch immer, tatsächlich oder vorgeblich mit Israel solidarisieren. Lieber lässt man Israel doch auslöschen, als dass man sich mit „Rechten“ gemein macht. Hier haben wir es natürlich mit einem Teufelskreis zu tun. Weil die Linke Israel auslöschen lassen will (so wie einst die Nazis möchte auch die Linke, dass die Araber das tatsächliche Morden übernehmen), sind alle Leute, die sich dem widersetzen, automatisch „rechts“. Insofern verbirgt sich darin, dass sie überall, wo sich genuine Solidarität mit Israel regt, irgendwelche „Rechten“ sehen, von denen sie sich sofort distanzieren müssen, eine ihnen völlig unbewusste tiefere Wahrheit. Das haben wir an Axel Springer alles schon einmal durchgespielt. Weil Springer „rechts“ war, begann der bewaffnete Kampf in Deutschland mit einem Anschlag auf ein jüdisches Gemeindehaus. Sich gemeinsam mit Norbert Hofer gegen das Zeigen der Fahne Israels als Ausdruck der Solidarität zur Wehr zu setzen, stellt dagegen kein Problem dar.

Sich gemeinsam mit Norbert Hofer gegen das Zeigen der Fahne Israels als Ausdruck der Solidarität zur Wehr zu setzen, stellt dagegen kein Problem dar.

Eng mit diesem Problem verwandt ist die Tatsache, dass auch weiterhin die allermeisten, die überhaupt noch gewillt sind, sich mit Israel solidarisch zu erklären, völlig unkritisch der Forderung entsprechen, sich erst die Erlaubnis hierzu zu erkaufen. Das ist nun schon seit Jahrtausenden so und hat sich auch in der Neuzeit nicht geändert. Im deutschen Kaiserreich musste man immer erstmal beteuern, dass man ganz bestimmt kein Freund der Juden sei, aber das gehe nun wirklich etwas zu weit. Seit 1967 muss man immer erstmal betonen, dass man die israelische Regierung nicht ausstehen kann und den Palästinensern nur das Beste wünscht. Gegen beides ist für sich genommen nichts einzuwenden, doch wenn man es ohne das geringste Bewusstsein dafür rituell herbetet, dass es sich dabei auch um eine apologetische Unterwerfungsgeste handelt, schwächt man den eigenen Standpunkt, ohne es überhaupt zu merken. Antisemitismus ist Antisemitismus, unabhängig davon, was diejenige, die ihn beobachtet und erfasst, von der israelischen Regierung hält. Wenn Hamas Israel den Krieg erklärt, ist die Feststellung, dass es Israel nicht nur erlaubt sein muss, sondern dass Israel in der Pflicht steht, seine Bürger zu schützen, wahr und vollauf berechtigt, unabhängig davon, ob man die israelische Regierung mag oder nicht. Diese Unterwerfungsgeste ist das bürgerlich-liberale Pendant zur Bereitschaft, Israel lieber preisgeben zu wollen, als sich auch nur imaginierter Weise mit „Rechten“ gemein zu machen.

Wenn Hamas Israel den Krieg erklärt, ist die Feststellung, dass es Israel nicht nur erlaubt sein muss, sondern dass Israel in der Pflicht steht, seine Bürger zu schützen, wahr und vollauf berechtigt, unabhängig davon, ob man die israelische Regierung mag oder nicht.

Mit dem Argument, dass jedes andere Land genau so handeln würde, sollte man etwas vorsichtiger sein. Ich erinnere nur an die muslimischen Terroranschläge auf das Madrider Bahnnetz im März 2004, die die kurz darauf stattfindenden Wahlen um den Preis von knapp 200 Ermordeten zugunsten der linken Opposition entschieden. Um die Wehrhaftigkeit westlicher Gesellschaften angesichts des muslimischen Terrors ist es nicht so eindeutig bestimmt, wie manche sich das gerne einreden würden. An Anschlagstagen stehen die Jöseltweets, denen zufolge es jetzt wieder jede Menge „Islamophobie“ geben werde und die Muslime wieder einmal die eigentlichen Opfer sein würden, meist schon im Äther, ehe andere (denen unterstellt wird, sie würden immer gleich „islamophob“ reagieren) überhaupt dazu gekommen sind, den jeweiligen Anschlag irgendwie einzuordnen.

Und dann ist da die vordemokratische, an die frühe Neuzeit gemahnende Lobhudelei. Dabei scheint das Bewusstsein dafür, dass moderne Gesellschaften sich durch Arbeitsteiligkeit auszeichnen, dummerweise vollends verloren gegangen zu sein. Zu den Fähigkeiten, die ich aus der Ferne mit kaum zu übertreffender Bewunderung bestaune, gehört die Fähigkeit von Vertretern Israels bzw. jüdischer und/oder tatsächlich anti-antisemitischer Organisationen, sich mit denjenigen, die in unserem Land nun einmal die Macht innehaben, so umzugehen, als würden sie deren Anspruch, entschiedene Gegner des Antisemitismus zu sein, ernstnehmen. Völlig zurecht gibt es in diesem Sinne auch eine gesonderte Kundgebung, auf der alle möglichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die bestenfalls völlig indifferent sind und in aller Regel Entscheidendes geleistet haben, um den Antisemitismus zu fördern und Israels Sicherheit zu untergraben, ihre vorgebliche Solidarität mit Israel in Szene setzen dürfen. Natürlich ist es besser, die Vertreter des offiziellen Deutschlands behaupten, sie seien gegen Antisemitismus und für Israel, als dass sie das, was sie wirklich denken und fühlen, offen zum Ausdruck bringen. Mit moderner, demokratischer Politik hat all das allerdings nichts zu tun. Es greift zurück auf die gute alte Kunst der Schtadlanut — der Fürsprache bei den Herrschern durch einflussreiche (in aller Regel) jüdische Individuen, die erforderlich ist, weil Juden in einem so hohen Maße tatsächlicher oder potentieller Gewalt ausgesetzt sind, dass es der direkten Intervention der Herrschenden bedarf, um ihre Unversehrtheit mit etwas Glück noch zu gewährleisten.

Dem entspricht das Kalkül, man könne die Herrschenden zur Besserung ihres Verhaltens bewegen, indem man sie völlig wahrheitswidrig über den grünen Klee lobt. Wenn man den Herrschenden nur lange genug immer wieder erzählt, sie hätten in Wirklichkeit schon längst eingesehen, wovon sie dummerweise noch nicht wissen, dass sie es eingesehen haben, sehen sie es am Ende dann doch noch ein. Die Juden in Deutschland können nichts dafür, dass sie auf Besseres kaum hoffen können — auch das ist wesentlich eine Folge der Schoa. Nur darf man dieses taktische Verhalten andererseits auch nicht mit der Wirklichkeit verwechseln.

Nur darf man dieses taktische Verhalten andererseits auch nicht mit der Wirklichkeit verwechseln.

Wenn selbst der Berliner Antisemitismusbeauftragte, nicht im Gespräch mit irgendwelchen Repräsentanten des offiziellen Deutschlands, sondern auf einer Kundgebung, auf der reale Solidarität mit Israel zum Ausdruck gebracht werden soll, lobt, wie breit der gesellschaftliche Konsens gegen den Antisemitismus sei, auch wenn man sich vielleicht in der einen oder anderen Hinsicht in der Praxis doch noch ein wenig mehr anstrengen könnte, dann läuft das lediglich darauf hinaus, dass alle sich gegenseitig in die Tasche lügen. (Berlin hat bei der Besetzung der Stelle des Antisemitismusbeauftragten übrigens auf bemerkenswerte — und begrüßenswerte — Weise das Thema verfehlt, denn eigentlich gehört zu den Minimalanforderungen an Antisemitismusbeauftrage, dass auch langjährige Antisemitismusforscher noch nie von ihnen gehört haben dürfen.)

Man könnte natürlich einwenden, es gehe darum, sich gegenseitig Mut zu machen, dazu müsse man die Lage eben reichlich schönfärben. Doch bräuchte man, wenn das alles so stimmen würde, ja gar keinen Mut. Es wird niemanden, der mich oder meine Arbeit kennt, überraschen, dass ich für Schtadlanut, für diese Art des beiderseits bewussten gegenseitigen Anlügens im Interesse des geringsten Übels, ungeeigneter nicht sein könnte. Doch muss sie leider stattfinden, und ich mag mir gar nicht ausdenken, was das den beteiligten Interessenvertretern jedes Mal wieder abverlangt. Nur ist das eben eine Form der Kommunikation mit einem spezifischen Ziel, die in einen spezifischen Kontext gehört. Wenn wir anfangen, so zu tun, als seien die erforderlichen rhetorischen Lügen tatsächlich wahr, ist der Kampf gegen den Antisemitismus verloren, ehe er überhaupt begonnen hat.

Wenn wir anfangen, so zu tun, als seien die erforderlichen rhetorischen Lügen tatsächlich wahr, ist der Kampf gegen den Antisemitismus verloren, ehe er überhaupt begonnen hat.

„Münster bleibt stabil an der Seite Israels“ lese ich auf Facebook neben einem Foto von einer Kundgebung in der Stadt. Daran ist natürlich kein Wort wahr. In Münster sind einige hundert (?) Menschen zu einer Kundgebung gekommen. In Berlin kamen von den gut 3,64 Millionen Einwohnern der Stadt gerade einmal einhundert zur ersten Kundgebung, bei der zweiten waren es an die 400. Die antisemitischen Horden, die durch Deutschlands Straßen ziehen, sind im Schnitt zehnmal so groß. Im Übrigen stellt sich ja die Frage, warum man solche Kundgebungen überhaupt abhalten sollte, wenn Münster, Berlin oder gar Deutschland tatsächlich überhaupt (geschweige „stabil“) an der Seite Israels stehen würden. Im Moment scheinen diese Kundgebungen in erster Linie der Affirmation eines unhaltbaren, zugleich aber systematisch geleugneten Zustands zu dienen, denn, sofern sie überhaupt etwas beweisen, dann dass Deutschland ganz entschieden nicht an der Seite Israels steht, weder stabil noch sonst irgendwie.

Muslimischer Antisemitismus darf, wenn überhaupt, nur von Muslimen angesprochen werden, weil Rassismus, getreu der Grundannahme, dass die Wahrheit einer Aussage sich nicht nach deren Inhalt, sondern danach richtet, wer sie trifft. (Hieraus ergeben sich ja auch die lustigen Spielchen, die Nichtjuden mit ihren jeweiligen Beweisjuden spielen: wozu brauche ich Argumente, wenn ich einen Juden vorzeigen kann, der mir Recht gibt? Der soll automatisch Recht haben, eben weil er Jude ist; warum der Beweisjude des Gegners, der das Gegenteil behauptet, Unrecht haben soll, obwohl auch er Jude ist, kann dann allerdings niemand erklären.) Die unfreiwillige Komik dieses Sachverhalts ist beeindruckend. Es kommen innerhalb kürzester Zeit anderthalb Millionen Menschen aus Ländern nach Deutschland, in denen den Menschen der Antisemitismus systematisch anerzogen wird und völlig selbstverständlich ist, und in denen auch niemand je auf die Idee käme, das bestreiten zu wollen. Ich frage mich oft, was die ehemaligen Flüchtlinge sich eigentlich denken, wenn ihre fortschrittlichen Helfer ständig etwas leugnen, wovon sie gar nicht wissen, warum man es leugnen sollte, und ihnen allenfalls beibringen, dass man Zionist statt Jude sagen soll, weil einem die Behörden sonst Ärger machen könnten.

Ich frage mich oft, was die ehemaligen Flüchtlinge sich eigentlich denken, wenn ihre fortschrittlichen Helfer ständig etwas leugnen, wovon sie gar nicht wissen, warum man es leugnen sollte, und ihnen allenfalls beibringen, dass man Zionist statt Jude sagen soll, weil einem die Behörden sonst Ärger machen könnten.

Allerdings halten die gleichen antirassistischen Helfer den Begriff Integration für ein Schimpfwort. Jede Forderung, dass Menschen, die nach Deutschland kommen, sich gewisse Werte (zumindest offiziell) zu eigen machen sollen, gilt als geradezu genozidal. Nichts ist authentischer und wertvoller als das Festhalten diasporischer Gruppen an den Werten ihrer Herkunftsländer. Die wissenschaftliche Einsicht, dass die Menschen in den Herkunftsländern sich über die übertriebenen Bestrebungen ihre Verwandten in der Diaspora, ihre Treue zum Herkunftsland auch in der x-ten Generation noch demonstrativ unter Beweis zu stellen, oftmals totlachen, spielt dabei keine Rolle.

Alles sollen Einwanderer so machen dürfen wie in ihrem Herkunftsland — ja, tatsächlich sollen sie es nicht nur dürfen, sondern müssen, denn Individuen haben nur noch als Exemplare ihrer Rasse Geltung und müssen allen der Rasse angedichteten Zuschreibungen entsprechen, sonst werden sie vom Antirassismus gleich ganz ausgelöscht. Nur ihr Antisemitismus — der verschwindet wundersamer Weise ganz von alleine, sobald sie die deutsche Grenze überqueren. Wenn sich bei ihnen doch noch Antisemitismus findet, so stammt dieser aus ihrer neuen deutschen Umgebung und hat sich ihrer — entgegen allen Regeln der antirassistischen Authentiziät — auf unerklärliche Weise per Osmosis bemächtigt. Wer die Existenz bestimmter Formen des gesellschaftlich wirksamen Antisemitismus leugnet, kann ihn nicht bekämpfen. Bekämpfen kann man nur, was man auch begriffen hat.

„Gegen Antisemitismus“ bedeutet heute nichts Bestimmtes mehr. Das gleiche gilt für den Verweis auf die Schoa.

„Gegen Antisemitismus“ bedeutet heute nichts Bestimmtes mehr. Dass man die Formulierung „gegen Antisemitismus“ nicht mehr bedenkenlos liken kann, gehört zu den schlimmsten Verheerungen, die wir der Linken zu verdanken haben. Wer so richtig fortschrittlich ist, hält die Existenz Israels für das Allerantisemitischste überhaupt. Das gleiche gilt für den Verweis auf die Schoa. Eben jene, die immerfort beteuern, man relativiere die Schoa keineswegs, wenn man jede Unerfreulichkeit auf Erden als mindestens so schlimm wie die Schoa bezeichnet, können sich gar nicht wieder einkriegen, wenn man behauptet, das bedingungslose Bekenntnis zum Existenzrecht Israels als jüdischer Staat in sicheren Grenzen, die es im Ernstfall realistischer Weise verteidigen könnte, folge notwendigerweise aus der Schoa. Eine perfidere Form der Schoarelativierung können sie sich gar nicht vorstellen.

Bestand das Problem der Linken bis 1967 darin, dass auch sie sich von dem gesellschaftlich allzu tief verankerten Antisemitismus nicht ausreichend lossagen konnte und ihr Populismus ihn immer wieder aufs Neue verstärkte, so hat sie seitdem einen originär linken, genozidalen Antisemitismus ausgebrütet, der mehr mit dem mörderischen Antisemitismus des Nationalsozialismus und des politischen Islam als dem historischen gewachsenen, auch weiterhin allerorten anzutreffenden „gewöhnlichen“ Antisemitismus christlicher/westlicher Gesellschaften zu tun hat.

Der Intersektionalismus ist eine umfassende Weltanschauung, deren primäre Funktion darin besteht durchzubuchstabieren, warum es nichts Unerfreuliches auf Erden gibt, an dem nicht in letzter Instanz Israel schuld ist, so dass dessen Vernichtung die unverzichtbare Grundvoraussetzung jeglicher Befreiung ist.

Dass Jean Améry schon vor einem halben Jahrhundert so ziemlich alles, was es zu Neulinkem Antisemitismus zu sagen gibt, glasklar darlegen konnte, verweist darauf, dass die Neue Linke vor ihrer Implosion in den Jahren ab 1989 auch nicht weniger antisemitisch war als heute. Allerdings fiel das nicht unbedingt im gleichen Maße auf, weil sie auch noch andere ernstgemeinte Forderungen und Anliegen und eine dazugehörige, in der Realität sich zutragende Praxis vorzuweisen hatte. Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein. Der Intersektionalismus ist eine umfassende Weltanschauung, deren primäre Funktion darin besteht durchzubuchstabieren, warum es nichts Unerfreuliches auf Erden gibt, an dem nicht in letzter Instanz Israel schuld ist, so dass dessen Vernichtung die unverzichtbare Grundvoraussetzung jeglicher Befreiung ist. So hat sich ihr genozidaler Antisemitismus inzwischen als das einzige Anliegen herauskristallisiert, das die Linke weltweit noch mit wirklicher Leidenschaft als gemeinsames zu verfolgen vermag. Alles andere stellt nur noch eine geisterhafte Fortexistenz alter Gewohnheiten dar und zeugt von dem Bedürfnis, sich gelegentlich von der Perversität der eigenen Vernichtungsgelüste ein wenig ablenken zu lassen.

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