Der (nicht so) verdeckte Antisemitismus der Netflix-Miniserie „Hollywood“

Netflix investiert etliche Millionen Dollar in den bislang elaboratesten Beweis dafür, dass der postkoloniale „Antirassimus“ die kritische Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus nicht ergänzen, sondern verdrängen soll

Paul Klee, Figurine des bunten Teufels, 1927, Tempera auf Papier auf Karton, 46,7 x 30,5 cm

Bei diesem Text handelt es sich um einen Abschnitt aus einem noch nicht abgeschlossenen längeren Text, in dem ich die gängigen Formen der Antisemitismusbekämpfung problematisiere.

Netflix hat gerade mehrere Millionen Dollar (vermutlich liegt der Betrag im zweistelligen Bereich) in eine hochkarätig besetzte, siebenteilige Miniserie investiert, die den bis heute wohl elaboratesten Beweis dafür liefert, dass der postkoloniale „Antirassismus“ die kritische Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus nicht ergänzen, sondern verdrängen soll. Die Serie ist insofern etwas konfus, als sie zunächst verschiedene Formen des Rassismus und der Frauen- und Schwulenfeindlichkeit und insbesondere der sexuellen Ausbeutung im Hollywood der Nachkriegsjahre darstellt, um dann unvermittelt deren märchenhafte Überwindung zu inszenieren. Dieses Erlösungsszenario gipfelt darin, dass ein imaginierter Film, mit dem die verschiedenen zuvor dargestellten Formen der Herabsetzung, Diskriminierung und Ausgrenzung überwunden werden, mehrere Oscars gewinnt. Bei aller Märchenhaftigkeit wird zu diesem Zweck aber nicht einfach eine Preisverleihung erfunden, sondern der imaginierte Film wird gewissermaßen nachträglich für einen der Wettbewerbe nominiert, die tatsächlich stattgefunden haben. Nun sind die Oscars ja seit dem Zweiten Weltkrieg mehr als einmal verliehen worden. Selbst wenn es einem wichtig erschien, die Handlung in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre spielen zu lassen, hätte es also mehrere Jahre zur Auswahl gegeben. Es mussten aber die Oscars von 1948 sein, denn in jenem Jahr wurde mit Elia Kazans Gentleman’s Agreement ein der Bekämpfung des Antisemitismus in den USA gewidmeter Film als bester Streifen des Jahres geehrt. Dessen Oscars räumt nun munter der im Verlauf der Miniserie geschaffene fiktive „antirassistische“ Streifen ab. Deutlicher lässt sich der Siegeszug des postkolonialen „Antirassismus“ von der sektierischen akademischen Obsession in den kulturindustriellen Mainstream und seine Zielsetzung der Verdrängung der kritischen Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus ja wohl kaum demonstrieren.

Für diejenigen, die es interessiert: 1947 kam noch ein zweiter Film in die Kinos, der sich kritisch mit dem Antisemitismus in den USA befasste, nämlich Edward Dmytryks Crossfire (der insofern eine verwickelte Entstehungsgeschichte hat, als es bei der literarischen Vorlage nicht um Antisemitismus, sondern um Schwulenfeindlichkeit ging). Zu diesem Film verfasste Max Horkheimer seinerzeit ein Gutachten.

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